Auf ein Kölsch mit Jonas im Paradies am Eifelwall

Es ist einer dieser durchwachsen regnerischen Tage in Köln und es windet stark, als ich die Bahn an der Haltestelle am Eifelwall verlasse. Mein Ziel ist heute das „Paradies“. Eine eigenständige Kommune, am Rand von Sülz nur wenige Schritte von der Haltestelle der Linie 18 entfernt. Auf dem Platz haben sich Pfützen gebildet und zwei Securitys kontrollieren den Eingang gegenüber der Wohnhäuserfront. Inzwischen muss sich jeder Besucher eintragen, bevor er das „Paradies“ betreten darf.Im Paradies herrscht inzwischen schon Endzeitstimmung. Nur noch wenige Monate bleiben den letzten Künstlern und Lebenskünstlern, bis sie ihren aktuellen Wohnsitz verlassen müssen. Dort, wo aktuell noch selbst gebaute Holzhütten stehen und Menschen leben, soll bald der Bau des neuen Stadtarchives beginnen.

Im Zentrum des Platzes findet sich der gemeinsame Aufenthaltsraum, in dem ich mit Jonas Baeck verabredet bin. Durch die großen Fenster fällt viel Licht in den mit Kühlschränken, Sofas, einem Herd und einer voll funktionsfähigen Küche ausgestatteten Raum. Alte Wahlplakate und von anderen Menschen bereits weggeschmissene Dinge wie knallorange Markisen bilden das Dach. Die Verwertung von bereits verwertetem Material war im Paradies schon immer ein großes Thema. Nicht selten wurden Hütten in der einen Ecke abgebaut, um in einer anderen wieder aufgebaut zu werden. Und obwohl der Wind draußen nur so pfeift, bekommen wir drinnen nur wenig mit. Jonas selbst ist Schauspieler und lebt in Köln, sein Vater Rolf Tepel hat vor 9 ½ Jahren das Paradies gegründet und unter Duldung der Stadt eine einmalige kleine Siedlung entstehen lassen. Umringt von Bahnschienen und Häuserblocks haben hier in den letzten 9 Jahren über 15000 Menschen eine Heimat gefunden. Manche für länger – andere nur für ein paar Tage. Reisende, Flüchtende und Menschen auf der ewigen Suche nach sich selbst.

Und obwohl die Zukunft der letzten Paradies-Bewohner noch immer ungewiss ist, erzählt Jonas mit einem großen Leuchten in den Augen und viel Euphorie von seinen Erfahrungen im Paradies. Knapp fünf Monate hat Jonas selbst in einem Bauwagen im Paradies gelebt, um die Welt seines Vaters kennenzulernen. Während wir sprechen und Kölsch trinken, kommen immer wieder Anwohner vorbei. Setzen sich dazu, hören zu und verschwinden wieder in ihre eigenen Hütten. Vielleicht auch, weil man Jonas gerne zu hört, wenn er erzählt.

Den größten Teil seiner Jugend wuchs der 1981 in Köln geborene Schauspieler ohne seinen Vater in einem Dorf namens Klingelbach in Rheinland Pfalz auf. Er erzählt nicht nur von den schönen Erfahrungen, von Freiheit und dem Aufbau des kleinen Theaters, das sie gemeinsam im Paradies errichteten, um eigene Theaterstücke zu präsentieren, sondern auch von der Verantwortung. Von Menschen, die die Offenheit ausnutzen, bei denen das Nehmen größer war als das Geben. Trotzdem leuchten die magischen Momente der Gemeinschaft immer noch heller als die Schatten der schlechten Erfahrungen.

Inzwischen lebt Jonas mit seiner Freundin, die er ebenfalls im Paradies kennenlernte, in Köln. Den Mut, den sein Vater hatte, sich komplett für diesen alternativen Lebensweg zu entscheiden, hat er selber nicht, wie er ehrlich zu gibt, obwohl er großes Interesse und sehr viele wunderschöne Erfahrungen mit dieser Lebensform verbindet. Eine Ehrlichkeit und Reflektiertheit, die Jonas auszeichnet.

Genau diese Sehnsucht nach Zusammengehörigkeit und Toleranz war es auch, die ihn schon in der frühen Schulzeit zum Schauspiel brachte, deren Grundstein er mit seiner Ausbildung an der Bochumer Schauspielschule legte. Inzwischen ist er überwiegend auf der Theaterbühne zu sehen, Filmfans kennen ihn aber vielleicht sogar aus Filmen wie Lars von Triers Nymphomaniac oder Kleinstatthelden.

Schlussendlich verbringen wir fast 3 Stunden redend im Zentrum des Paradieses und Jonas gesteht mir dabei auch, dass er eigentlich gar kein so großer Kölsch-Fan ist, sondern dem Bier lieber einen guten Gin vorzieht. Ebenfalls eine Sache, die man nur selten aus dem Mund eines Kölners hört, die ich aber umso sympathischer finde.


Dein erstes Kölsch hast Du wann getrunken?
Mit 16 im Kölner Underground

Deine Lieblings-Kölsch-Sorte heißt?
Mühlen Kölsch

Das leckerste Kölsch gibt es deiner Meinung nach wo?
Am Kiosk

Wann lässt sich Kölsch am besten trinken?
Im Sonnenschein am Rhein

Flasche oder Glas?
Flasche

Mit was verbindest du Kölsch als erstes?
Mit Pinkeln

Deine schönste Kölscherinnerung?
Mit meinem Bruder Beatles-Lieder grölend durch die Südstadt getorkelt


Kölsch: Reissdorf Kölsch aus der Flasche
Wo: Paradies am Eifelwall in Köln-Sülz


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